KI: künstliche Intention

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erschienen in: manege 2. automatoionen: architektonische intelligenz in den 2020er-jahren, 2022, Manege für Architektur, Berlin

So lange eine künstliche Intelligenz nur auf Befehl eines Menschen ein Kunstwerk produziert, egal wie meisterhaft es gemacht sein mag, ist sie im Grunde nichts weiter als ein besserer Drucker. Um von einer möglichen künstlerischen Intelligenz im Sinne einer Kunst-schaffenden Intelligenz ausgehen zu können, muss sie sich zunächst selbst als Subjekt in Raum und Zeit begreifen können und nicht bloß eine künstliche Nachbildung des menschlichen Geistes sein. Nur dann kann sie in der Lage sein, nicht nur die Ideen oder Stile anderer Künstler zu kopieren oder zu imitieren, sondern selbst einen eigenen Stil zu formen. Mit der Suche nach einem eigenen Stil geht immer auch die Suche nach einer eigenen Auffassung des Kunstbegriffs einher. Was vielen Überlegungen zum Kunstbegriff zugrunde liegt, ist die Idee, dass hinter einem Kunstwerk eine Intention steht: Im Lexikon wird Kunst als „jede entwickelte Tätigkeit“ beschrieben – also ein Prozess mit einem Ziel. Der Künstler Joseph Beuys beschreibt diesen Prozess als “bewusstes Erzeugen einer Form” , Friedrich Schiller spricht von der Schule der praktischen Weisheit, einem Wegweiser durch das bürgerliche Leben, als Voraussetzung für das Entstehen eines Kunstwerks.
Damit das Ziel erreicht, eine Intention umgesetzt oder die Wirkung, die ein Kunstwerk haben soll, auch tatsächlich erzielt wird, muss sie von der Zielgruppe erkannt und verstanden werden. Das führt unweigerlich zu der Frage, wer die Zielgruppe von künstlicher Intelligenz ist. Wird eine KI nur Kunst für andere KIs produzieren? Oder wird sie die ihr zur Verfügung stehenden Informationen nutzen, um ihren Einfluss auf „artfremde“ Individuen auszuweiten, also Kunst für Menschen, Tiere oder Pflanzen schaffen? Denn sie würde von den Menschen keine Information für derartige artübergreifende Zusammenarbeit finden.
Im Zusammenhang mit der Suche nach einem eigenen Kunst-Stil wäre es auch denkbar, dass eine KI den Menschen als Gestaltungselement ihrer Kunst nutzt und in ihrem Sinne kultiviert, ganz ähnlich, wie ein Buchsbaum im Barockgarten zugeschnitten und in eine Hecke eingepasst und so als gestalterisches und gestaltetes Element kultiviert wird. Dabei würde der Mensch nur noch als Ressource oder Rohmaterial verwendet und möglicherweise würden nur noch seine Bestandteile für ein Kunstwerk genutzt.
Auch das würde die Frage nach der Intention und dann auch den Kunstbegriff der KI beeinflussen und eventuell dahin führen, dass eine KI menschliche Gestaltung und menschliche Kunst nicht als Kunst anerkennen, sondern sie nur als Teil der menschlichen, biologischen Natur betrachten würde.Unsere Weltordnung würde auf den Kopf gestellt werden. Wenn durch die Kultivierung des Menschen durch eine KI die Grenzen von Natur und Kultur derartig verschoben werden, stellt sich gleichzeitig die weiterführende Frage nach einer gemeinsamen definitorischen Basis von Mensch und Maschine: Wo bisher der Mensch über die Maschine herrschte, wird nun ein Austausch auf Augenhöhe zwischen Mensch und KI notwendig, um nach einer gemeinsamen Definition von Kunst zu suchen.
Sobald diese Fragen beantwortet sind, wird auch die letzte Frage nach der Form der Kunst einer künstlerischen Intelligenz beantwortet sein, also ob wir Menschen ihre Bedeutung verstehen werden oder ob der Sinn aus menschlicher Sicht vielleicht doch nur „42“ ist.

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